Pflege von Bögen
Mathias Wohlleber, Bogenbaumeister aus Berlin, gibt kostbare Tipps.
Wertvolle Bögen für Streichinstrumente können genau wie Instrumente sehr alt sein und bedürfen einer besonderen Pflege. Aber auch neugebaute Meisterbögen müssen gut behandelt werden, damit sie weiterhin gut funktionieren und der Musiker dem Instrument klangvolle Töne entlocken kann. Bogenbaumeister Mathias Wohlleber erklärt, wie man bei guter Behandlung und sorgfältiger Pflege die gute Spielbarkeit erhält.
Wie lagert man seinen Bogen richtig, wenn man nicht damit spielt?
Der Bogen sollte keinesfalls in der Sonne liegen, denn UV-Strahlung und Trockenheit zerstören das Haar. Außerdem bleicht das Licht die Oberfläche des Bogenholzes aus. Besser ist es, den Bogen in einem Instrumentenetui aufzubewahren, denn darin ist er auch vor Unfällen geschützt. Wichtig ist natürlich auch, ihn nach dem Spielen abzuspannen, damit die Bogenstange sich erholen kann.
Wenn der Bogen über einen längeren Zeitraum, also Wochen oder Monate, nicht gespielt werden soll, ist es sinnvoll, ihn in einer luftdichten Hülle zu verwahren, damit Kleidermotten das Haar nicht zerfressen können.
Gibt es generelle Unterschiede bei der Aufbewahrung und Pflege von historischen oder neugebauten Bögen?
Nein. Lediglich bei kannelierten (mit senkrechten Rillen versehenen) Bögen, meistens sind das dann Barock- und Klassikbögen, ist es schwerer, die Stange von Kolophonium zu reinigen
Wie wichtig ist regelmäßige Pflege? Was heißt „regelmäßig“ eigentlich konkret? Nach jedem Spiel? 1 Mal pro Woche? Gibt es Teile, die öfter gereinigt werden sollten als andere?
Eine einfache regelmäßige Pflege ist das Säubern der Bogenstange nach dem Spielen. Mit einem weichen Tuch das Kolophoniumpulver sorgfältig abwischen. Bitte ohne ein Pflegemittel, denn das könnte die Haare verschmutzen. Das ist zugleich die wichtigste Pflege, die der Musiker/die Musikerin dem Bogen angedeihen lassen kann. Alles Weitere sollte durch einen Fachbetrieb erfolgen.
Bei jedem Neubezug wird vom Bogenmacher oder Geigenbauer auch die Stange gründlich gereinigt und aufpoliert. Auch das Daumenleder sollte überprüft und ggfs. erneuert sowie bei Bedarf ein zusätzliches Leder zum Schutz der Bogenstange über dem Frosch angebracht werden. Der Daumen kann beim Spielen ein Loch in die Stange über dem Frosch „graben". Das kann und sollte man ausbessern lassen. Ebenso ist es wichtig, gebrochene Kopfplatten zeitnah zu erneuern. Die meist weißen Plättchen an der Unterseite des Kopfes haben eine wichtige Schutzfunktion: sie nehmen bei Stürzen oder Stößen Energie auf und bewahren das Holz des Kopfes vor Abnutzung und größeren Schäden.
Kann ich Bogenhaare, die unten am Frosch "speckig" geworden sind, waschen? Hat das Auswirkungen auf die Spielbarkeit?
Wenn das Haar stark verschmutzt oder fettig geworden ist, kann sich das Kolophonium dort nicht mehr ansetzen. Die Haare können vorsichtig mit Alkohol ausgewaschen werden. Auch das sollte man einem Bogenmacher oder Geigenbauer überlassen, damit die Bogenpolitur nicht beschädigt wird.
Wie oft muss ein Bogen neu bezogen werden? Woran erkenne ich das?
Wie oft ein Bogen neu bezogen werden muss hängt in erster Linie von der Häufigkeit und der Dauer der Nutzung ab. Ein Orchestermusiker verbraucht meiner Erfahrung nach pro Jahr ungefähr 2 Bezüge. Allerdings spielt hier natürlich auch die gespielte Literatur eine Rolle. Wagner und Mahler strapazieren die Bogenhaare mehr als Bach und Mozart.
Bei Profimusikern trifft dies zu, Laienmusiker benötigen viel seltener neue Bogenhaare. Einen abgespielten Bezug erkennt man daran, dass der Bogen nicht mehr richtig „greift“. Wenn das Haar abgespielt ist, kann sich das Kolophonium nicht mehr im Haar festsetzen und damit auch nicht mehr die Saiten in Schwingung versetzen.
Kann ich meinen Bogen selbst neu beziehen?
Ein Bass-Professor hier in Berlin hat seinen Schülern das Bogenbeziehen beigebracht als Teil des Studiums. Mit meist nicht so gutem Erfolg, um es vorsichtig zu sagen.
Ich rate davon ab, den Bogen selbst zu beziehen. Die einzelnen Teile des Bogens sind sehr empfindlich. Die Holzkeile, die den Haarbezug halten sollen, müssen sehr genau passen. Zu großer Druck beschädigt den Bogen, wenn die Keile nicht passen, hält der Bezug nicht. Und für uns ist es immer ärgerlich, Beschädigungen durch unsachgemäßes Beziehen beseitigen zu müssen. Über den Wertverlust durch solche Schäden könnten man hier einen eigenen Beitrag machen.
Für mich ist es auch wichtig, dass ich die Pferdehaare kenne, bevor ich Bezüge mache. Durch unsachgemäße Behandlung der Rohhaare (aggressive Reinigungsmittel, Bleiche etc.) kann die Qualität des Materials sehr gelitten haben. Es gehört einiges an Erfahrung dazu dies zu erkennen.
Haare reagieren auf Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Das ist ein grundsätzliches Problem, dem Musiker und ihre Instrumente ausgesetzt sind. Zimmertemperaturen und „normale“ Luftfeuchtigkeit vertragen Bögen und ihre Haare gut. Also bei der Lagerung den Bogen nicht in den feuchten Keller stecken oder direkt unters Dach legen.
Wie gehe ich damit um, wenn bei besonders hoher oder niedriger Luftfeuchte die Länge der Bogenhaare sich verändert? Hilft es, wenn ich die Bogenhaare z.B. mit einem Föhn erhitze oder diese mit Wasser befeuchte?
Bitte nicht mit dem Föhn an den Bogen! Die heiße Luft ist extrem trocken und macht die Haare spröde. Dagegen ist das Befeuchten der Haare als Notlösung bei zu kurzem Haar okay. Generell sollte man sich bei solchen Problemen vertrauensvoll an den wenden, der den Bezug auf den Bogen gespannt hat, um die Haarlänge zu korrigieren.
Gibt es Unterschiede bei der Pflege von Violin- bzw. Viola-, Cello- oder Bassbögen?
Nein, eigentlich nicht. Durch das klebrige Kolophonium ist das Abwischen der Stange bei Bassbögen noch wichtiger als bei den anderen Instrumenten. Basskolophonium ist so weich, dass es sich bei längerer Nichtbenutzung zu kleinen Tropfen zusammenzieht und aushärtet. Dies fühlt sich an wie Sand auf den Haaren. Dann sollte man die Haare am besten mit Alkohol reinigen, bzw. reinigen lassen.
Ein letzter Tipp?
Kolophonium sollte man alle zwei bis drei Jahre neu kaufen. Denn dann beginnt es zu stauben und greift auch nicht mehr so gut wie im frischen Zustand.
Vielen Dank an Mathias Wohlleber für das ausführliche
Interview und die nützlichen Tipps!
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Text von Susanne