Quadrate aus Holz oder Feinpapier mit digitalem Kern
Ein Interview mit Klang²-Gründer Sebastian Oberlin
Manchmal vergehen 20 Jahre, bis man den richtigen Menschen findet. Einen Menschen, der von einer Idee genauso begeistert ist, wie man selbst, so dass man gemeinsam diese Idee weiterverfolgt und etwas Großes daraus erschafft. So erging es Sebastian Oberlin mit Adrian Rennertz. Die genauen Hintergründe erzählt uns Sebastian im Interview. Herausgekommen ist das Spiel klang² (gesprochen: klangquadrat), das zwei Welten miteinander verbindet: die Ästhetik von Tonholz und digitale Technologie. Das Memoryspiel besteht aus 20 Quadraten, die nicht nur die Merkfähigkeit trainieren, wie üblich, sondern gleichsam den Hörsinn und nebenbei ein Stück Kultur vermitteln.

SINFONIMA: Sebastian, Du bist Geigenbauer, Adrian ist Medienkünstler. Gemeinsam habt ihr klang² entwickelt. Wie habt ihr euch kennengelernt und wie ist die Idee zu diesem Spiel entstanden?
War dann schon klar, dass ihr ein Unternehmen daraus gründen wollt?
Am Anfang war es erst einmal ein Projekt. Wir überlegten, wie man das Memoryspiel herstellen, wer es bauen kann, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben, es aus Holz zu bauen und wie wir es am Anfang finanzieren könnten.
Dann merkten wir, dass das Konzept a + b = c (also Frage + Antwortmelodie = Sinfonie) übertragbar ist auf viele andere Themen und man viel mehr aus der Grundidee machen kann. Man kann das Konzept z.B. auf unterschiedliche Musikrichtungen anwenden oder auch z.B. auf Sprache oder Hauptstädte plus Länder, die gemeinsam eine Nationalhymne ergeben. Manchmal muss man ein bisschen um die Ecke denken.
Adrian ist ja nicht nur Medienkünstler sondern auch Programmierer und entwickelte dann eine App, mit der man unterschiedliche Spielmöglichkeiten hat und die mit dem Smartphone funktioniert. Gemeinsam haben wir fünf Spiele entwickelt. Als nächstes dachten wir uns: Okay, wir zwei Jungs müssen einen Weg finden, die Idee an die Öffentlichkeit zu bringen. Wir haben das Potenzial gesehen und wollten unsere Werte erhalten wissen und zum Beispiel hier in Deutschland oder Europa herstellen statt in Fernost. Wir hatten dann schon so viel Herzblut in dieses Projekt gesteckt, dass wir es auch nicht an einen Verlag oder ähnliches abgeben wollten.
Also starteten wir eine Crowdfunding-Aktion, eine 3-wöchige Kickstarter-Kampagne, mit dem Ziel 10.000 Euro zu generieren um einfach mal zu sehen „Findet das jemand cool? Kauft das jemand? Wieviel Geld sind die Leute bereit, da reinzustecken?“ Die analytische Komponente dieser Aktion war uns erst einmal bedeutsamer, als dass wir das Geld unbedingt direkt gebraucht hätten. Am Ende kamen aber dann sogar über 20.000 Euro zusammen.
So starteten wir eine kleine Produktion mit einem Hersteller aus der Nachbarschaft, hier im Schwarzwald, haben dann die Crowdfunding-Spender erst einmal bedient und kurz darauf kam eine Einladung von „Die Höhle der Löwen“, die uns dann auch ein bisschen mit Tipps gescoutet haben. Viele weitere Menschen, darunter Menschen aus Blindenvereinen usw. haben uns mit ihrem Feedback geholfen, das Spiel zu entwickeln. So wurde dann aus einem Projekt langsam eine richtige Geschäftsidee.
Wie funktioniert das Spiel? Was kann der Spieler daraus lernen?
Sich auf spielerische Art und Weise dem Klang, der Musik und dem Gehör zu nähern, ist sozusagen die Essenz des Ganzen. Das ganze Spiel hat zwar eine optische Komponente mit Auflösung, denn durch das Umdrehen der Karte kannst Du auf dem Display des Smartphones Informationen über das Thema einholen, das gerade abgespielt wurde. Doch der Fokus liegt immer auf dem Hören.
Tatsächlich folgt der Grundgedanke des Spiels der Suzuki-Methode. Man nennt sie auch Muttersprachen-Methode, mit der man wie bei der eigenen Sprache über das Gehör und die Nachahmung ein Musikinstrument erlernt. Durch das Wiederholen entsteht daraus festes Wissen, z.B. beim Thema Länder und Hauptstädte; Nachdem man dieses Spiel ein paar Mal gespielt hat, muss ich nicht mehr überlegen, was die Hauptstadt von Namibia ist, sondern die Lösung haust in meinem Ohr und kommt einfach, beinahe intuitiv, herausgeschossen:Windhoek!
Aus welchem Holz bestehen die Spielkarten und woher stammt es?
Wir verwenden Klangholz aus Birne, Ahorn und Zypresse. Das Holz stammt aus Europa von Verwertern von Klangholz. Es muss gleichmäßig gewachsen sein, schließlich handelt es sich ja um ein Gedächtnisspiel. Unsere Hersteller sind im Schwarzwald und mittlerweile gibt es auch weitere, alle innerhalb Deutschlands, das war uns wichtig. Das Einzige, was doch in Fernost hergestellt w, sind die NFC-. Die Weiterverarbeitung des Tags geschieht wiederum in Italien.Es ist und war nie eine Option die Produktion irgendwohin auszulagern, wo die Löhne tiefer liegen. Wir möchten beweisen, dass man ein cooles Produkt sehr wohl in der eigenen Umgebung entwickeln und herstellen lassen kann, ohne auf seine Werte verzichten zu müssen.
Eine von drei Holz-Versionen: Klang² aus Birnenholz
Wie unterscheiden sich die beiden Versionen preislich?
Die Holzversion ist für 86,76 Euro erhältlich, die Buchbinderversion kostet 37,00 Euro.
Wo kann ich klang² erwerben?
In unserem Webshop klang2.com, bei Manufactum, Hugendubel, Weltbild, Müller und im stationären Einzelhandel.
Nach eurer Vorstellung bei „Die Höhle des Löwen“ könnt ihr euch momentan wahrscheinlich gar nicht vor Bestellungen retten, oder? Wieviel Zeit ist vergangen von der ersten Idee bis heute?
Ja, vor der Ausstrahlung waren wir eher hier im Lokalen bekannt aber nach der Ausstrahlung vor diesem Millionenpublikum hat das alles ziemlich an Fahrt aufgenommen. Es kamen Händleranfragen. Plötzlich wurde alles sehr echt. eine Firma, müssen produzieren, Leute einstellen, Arbeitsaufgaben verteilen usw. Das Ganze betreiben wir mit viel Herzblut und Elan.
Sebastian Oberlin und Adrian Rennertz bei "Die Höhle des Löwen", 2020.
Unser Ziel ist es, weiterhin Kultur zu vermitteln. Der Erfolg, den wir damit haben, leiten wir aus dem tollen Feedback derer Menschen ab, die unser Spiel gekauft haben und uns zurückmelden wie viel Spaß sie damit haben.
Zeitlich vergingen drei Jahre. Wir haben für klang2 ohne Gehalt gearbeitet. Der Drive kam einfach durch die Verfolgung unserer Idee. Ähnlich wie wenn man ein Musikinstrument baut, ist es einfach berauschend, wenn etwas aus dem Boden gestampft wird und man es später in den eigenen Händen halten darf.Es bleibt jedoch eine aufwendige Sache. Es braucht schon Durchhaltevermögen, wenn man etwas aus den eigenen Mühen hervorbringen möchte.
Kannst Du Deinen Beruf als Geigenbauer noch weiter ausführen oder bleibt dafür keine Zeit mehr?
Die Klangquadrate sind mittlerweile fester Bestandteil des Tages.Ich habe jemanden, der mich in der Werkstatt für den Geigenbau unterstützt. Zudem ist sie ziemlich breit aufgestellt. Der Bau von neuen Instrumenten kommt zwar etwas kürzer, aber es gibt immer Reparaturen und den Verleih von Streichinstrumenten. Die Werkstatt läuft weiterhin gut und Klang² steht nun als zweites Standbein da.
Vielen Dank, Sebastian! SINFONIMA wünscht Dir und Adrian weiterhin ganz viel Erfolg und viele gute Ideen für weitere klang²-Spiele.