Klavierpflege – Sanfte Riesen
„Wo ist der perfekte Standort?“ oder „Wie stelle ich eine konstante Luftfeuchtigkeit her?“ sind nur einige Fragen auf dem Weg zu einem Klavier von langer Lebensdauer und harmonischer Akustik. Ratko Delorko - Pianist, Komponist, Autor und Dirigent – hat all unsere Fragen zum Thema Klavierpflege beantwortet.
Klaviere und Flügel bestehen zu rund 70 Prozent aus Holz. Holz, das sehr sensibel reagiert, wenn es Sonnenlicht, Luftfeuchtigkeits- oder Temperaturschwankungen ausgesetzt ist. Bei der Größe eines Klaviers kann man nicht mal eben den Standort wechseln, um bessere Bedingungen zu schaffen - genaue Vorüberlegungen sind deshalb wichtig. Auch bei der Pflege der Mechanik oder der Klaviatur kann man einige Fehler machen.
Wie wichtig ist regelmäßige Pflege?
Fast wichtiger ist, keinen Krempel auf dem Flügel oder Klavier zu platzieren, der Kratzer verursachen oder vibrieren kann. Keine Blumenvasen, die Wasserränder hinterlassen oder umkippen und sich dann in das Instrument entleeren. Keine Getränke, die umfallen und dann immensen Schaden anrichten können.
Für die Oberfläche ist ein weiches Tuch mit einem Spritzer „Pronto“ sinnvoll, weil das Tuch dann den Staub anzieht. Ein Staubwedel ist auch gut. Man muss nicht immer paranoid alle Deckel zumachen. Wenn ein bisschen Luft zirkulieren kann, so ist das kein Schaden.
Was heißt „regelmäßig“ eigentlich konkret? Nach jedem Spiel? 1 Mal pro Woche? Gibt es Teile an Klavieren, die öfter gereinigt werden sollten als andere?
Einmal wöchentlich sollte locker reichen. Wenn Sie mit gewaschenen Händen an das Klavier gehen, bedürfen die Tasten seltener einer massiven Reinigung. Der ekelige Knas sitzt an den Flanken der schwarzen Tasten und gammelt seit Jahren, weil schlecht sichtbar, vor sich hin. Mit einem Feuchtreinigungstüchlein vom Discounter gehen Sie leicht über die Flanken und Sie werden sich wundern, was alles im Tuch bleibt. Bitte bei Ebenholztasten ohne starken Druck anwenden, weil sich neben dem Dreck auch Farbpartikel lösen können.
Kann ich mein Instrument selbst gründlich reinigen? Falls nicht, in welchen Intervallen ist eine professionelle Intensivreinigung nötig?
Im Innenbereich dürfen Sie nichts Feuchtes verwenden. Punkt. Wirbelfelder sind ein Staubfänger, insbesondere bei Flügeln. Bei Klavieren: der untere Boden. Abhilfe: Mit einem weichen Naturhaarpinsel, der keinen Schaden anrichtet zwischen die Wirbel und um Hindernisse fahren. In der anderen Hand folgt ein Staubsaugerschlauch ohne Kopf dem Pinsel. Der Sauger tut seinen Dienst ab einer mittleren Saugkraft. Einmal im Jahr reicht völlig - bitte immer vor dem Stimmen, da Fremdeinwirkung auf den Wirbel und andere Bauteile bereits zu kleinen Verstimmungen führen kann.
Der große Resonanzboden kann vom Stimmer alle 2-3 Jahre gereinigt werden. Er wird mit einem mit Tuch umwickelten geeigneten Gegenstand, alte Korsettstangen sind dafür ideal, unter dem Gussrahmen und der Besaitung vorsichtig dem klebrigen Staub zu Leibe rücken. Wenn Sie das selbst machen, riskieren Sie Beschädigungen der Resonanzboden-Oberfläche.
Was sollte bei einer professionellen Reinigung alles gereinigt und überprüft werden?
Auf dem Rastenbau (untere oder rückwärtige massive Holzkonstruktion) türmt sich vermutlich der Dreck. Das erledigt besser der Techniker für Sie und dafür zahlen Sie ihm eine Schutzzulage. Nebenbei wird er den Resonanzboden auf eventuelle Risse überprüfen. Er kann die Mechanik rausnehmen, den Verbrauchszustand der Hammerköpfe genau prüfen und ggf. Maßnahmen ergreifen, vielleicht auch das ein oder andere Schräubchen einstellen. Vermutlich finden sich auch lang entbehrte Gegenstände wie Bleistifte, Radiergummis und Büroklammern wieder, die noch keinen Schaden verursacht haben. Jetzt kann die Auflagefläche der Mechanik gereinigt werden. Nichts knirscht mehr, wenn Sie das linke Pedal betätigen…
Muss auch das Innere des Instrumentenkörpers gereinigt werden? Wie mache ich das am besten?
Am besten, Sie lassen die Finger davon, wenn Sie sich unsicher sind. Das kann nach Absprache auch Ihr Techniker machen und der richtet dann keinen Schaden an. Ein bisschen Staub ist kein Drama. Wohl allerdings, wenn Sie in der Wohnung rauchen und kochen. Das Nikotin geht mit den fettigen Tröpfchen eine unglücksselige Verbindung ein und schlägt sich mit dem Staub sogar auf der Besaitung nieder, die dann tatsächlich dumpfer klingt.
Empfehlen Sie bestimmte Reiniger und Tücher für die unterschiedlichen Teile des Instruments (Klaviatur, Oberfläche, Pedale)?
Alle Messingteile lieben von Zeit zu Zeit etwas Politur. Achten Sie darauf, dass die schleifmittelhaltigen Produkte nicht mit der Oberfläche des Instrumentes in Berührung kommen. Einige Teile lassen sich einfach demontieren und dann besser reinigen.
Für die hochglanzpolierte Oberfläche (moderner Polyesterlack, kein Schellack) gibt es im Fachhandel spezielle Reiniger, die die Oberfläche schonen. Lassen Sie sich beraten… Ansonsten einen Spritzer „Pronto“ auf das weiche Staubtuch geben, das entfernt Streifen, Schlieren und Staub.Für die Klaviatur eignen sich milde, rückstandsfreie Feuchtreinigungstücher. Oder einfach nur ein Mikrofasertuch.
Ist bei der Pflege von Klaviertasten aus Elfenbein etwas Bestimmtes zu beachten?
Einst waren die Untertasten mit Elfenbein belegt und die Obertasten aus Ebenholz. Da man keine Elefanten für Klaviertasten umbringen soll, hat die Klavierindustrie den wertvollen Stoff durch Plastik (Acryl), bei höchstwertigen Instrumenten durch Knochen oder mineralische Surrogate ersetzen müssen. Da Elfenbein immer kostbar war, wurde die Industrie erfinderisch und versuchte den hochwertigen Belag zu ersetzen. Plaste und Elaste waren dafür ein willkommener Werkstoff… Elfenbeinersatzstoffe aus organischen und anorganischen Stoffen, die mit einem Basismaterial aus Plastik verbunden sind, werden heute von allen namhaften Klavierherstellern angeboten. Wichtig zu wissen: Alle künstlichen Beläge fühlen sich wärmer an als Elfenbein, Mammut oder Knochen. Die gemeinen Krankheitserreger mögen den künstlichen Belag übrigens gar nicht.
Die Haptik von Elfenbein, also das Spielgefühl unter dem Finger, ist nach meinem Dafürhalten unerreicht. Bei neuem Elfenbein achten die Behörden genau darauf, dass ein CITES-Zertifikat (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) vorliegt.
Das klassische Material hat uns mit seinen hervorragenden Eigenschaften über Jahrhunderte begleitet. Es hat eine angenehme Friktion, es rutscht nicht, aber es klebt auch nicht. Feuchtigkeit wird gutwillig kompensiert und wenn man schwitzt, gibt es kein Aquaplaning. Allerdings ist die Verarbeitung weitaus aufwändiger als bei Kunststofftasten und der Werkstoff mag keinen Kontakt mit harten Gegenständen wie Eheringen, die im Oktavgriff laut auf die Taste klacken. Das gibt Macken.
Außerdem bedarf Elfenbein der Zuwendung: Wenn viele verschiedene Personen auf dem Instrument spielen, neigen die Tasten von Subbass und Hochdiskant zu klebrigen, schwarzen Dreckrändern. Da hilft nur die Reinigung mit einem feuchten Tuch. Aggressive Reiniger haben da nichts zu suchen. Ein antibakterielles Tüchlein kann aber nicht schaden, vor allen Dingen, wenn viele Spieler Zugang zu dem Instrument haben. Ich liebe die Feuchttücher vom Discounter. Die lösen alles fettige Zeug, ohne aggressiv das Material anzugreifen. Aber: Feste reiben würde ich damit nicht…
Wenn man nach getaner Arbeit die Klaviaturklappe brav schließt, ohne die Tasten vorher leicht abzuwischen und dann ablüften zu lassen, quittiert Elfenbein den Angriff der Oxidantien vom Fingerschweiß über die Jahre mit Gelbsucht und vergilbt hässlich. Am Ende hilft der ausgebauten Klaviatur nur eine Kur mit Wasserstoffperoxyd und die darauffolgende Einwirkung von Sonnenlicht; dann sollte alles wieder im ursprünglichen Farbton erstrahlen. Das macht die Fachkraft bitte, NICHT Sie!
Wie häufig muss mein Klavier gestimmt werden? Muss dafür ein professioneller Klavierstimmer / -bauer kommen?'
Gestimmt werden sollte mindestens beim Wechsel der Heizperioden. 14 Tage nachdem im Oktober die Heizungen angehen und 14 Tage nachdem im April die Heizungen ausgehen. Dafür muss verbindlich ein qualifizierter Stimmer und/oder Klaviertechniker bestellt werden. DIY-Versuche sind durch hohe Reparaturrechnungen kategorisch selbstbestrafend.
Heute arbeiten hinter den Kulissen an die 1.400 bewegliche Teile aus Holz, Metall und Kaschmir für Ihr dynamisches Klavierspiel. Deswegen war das Klavier oder der Flügel auch soooo teuer in der Anschaffung. Zumindest macht der technische Apparat einen Riesenbatzen aus. Damit das technische Zusammenspiel auch wirklich funktioniert und Ihnen Freude macht, muss Ihr Instrument von Zeit zu Zeit nicht nur gestimmt, sondern auch intoniert (der Filz der Hammerköpfe wird gestochen und damit in der Härte ausgeglichen) und reguliert werden. Ihr Auto bringen Sie ja auch zur Inspektion und fahren es nicht nur durch die Waschanlage.
Ohne diese Serviceintervalle (Profianwender bei Dauergebrauch 6-9 Monate, Amateur mit entsprechend geringerer Spielstundenzahl 2-3 Jahre) kann das beste Instrument der Welt nicht überleben. Selbst wenn Sie ein Luxusautomobil fahren, sich aber den Ölwechsel und die neuen Bremsklötze sparen, werden Sie nach Jahr und Tag feststellen, dass nur Tanken nicht reicht und die Nächte auf der regennassen Autobahn lange Wartezeiten auf den Pannendienst mit sich bringen. Bei der folgenden Rechnung kommt die Werkstatt aus dem Lachen nicht mehr raus.
Trägt das regelmäßige Spiel auf einem Klavier zur Pflege bei?
Absolut. Bewegliche Teile bleiben beweglich, der Resonanzboden und Steg danken es Ihnen mit schneller Ansprache. Und Sie merken schnell, wenn etwas nicht stimmt… Ansonsten reden wir irgendwann von „Standschäden“.
Heizungsluft, Luftfeuchtigkeit und generelle Temperaturschwankungen sind für Klaviere bekanntlich nicht gut. Was ist bei der Wahl des Standorts zu beachten?
Die klimatischen Standortbedingungen entscheiden über die Lebensdauer eines Tasteninstrumentes. Ideal sind 48 % relative Luftfeuchte bei 20 Grad Celsius. 10 % Toleranz sind in Ordnung, darüber hinaus beginnen verstärkt die Korrosions- und Oxydationsvorgänge, alle Filzteile blähen sich auf und das Holz saugt sich voll zarter Feuchtigkeit. Liegt die Feuchtigkeit unter dem Soll, so besteht die Gefahr von Rissen in Holzteilen. Starke Feuchtigkeitsschwankungen stressen das Instrument und sorgen irgendwann für Verzug, schlechte Stimmhaltung und Risse. Steht das Klavier Ihrer Wahl an einer kalten Außenwand, so schlägt sich sicherlich Kondensat dahinter nieder. Im Sommer knallt dann die Sonne durch das Fenster auf der Südseite auf den schwarzen Lack, im Winter erledigt die Fußbodenheizung den Rest. So positionierte Instrumente sind Zeitbomben. Also Distanz zur Wand: 20-30 cm. Das klingt auch besser, wegen der rückwärtigen Abstrahlung. 1,5 bis 2 m Minimaldistanz bis zum nächsten Heizkörper sind ein Muss. Sonnenlicht: Definitiv nie.
Weiterhin sind Funde aus Kellern und Scheunen feuchtigkeitsbelastet. Am Standort freuen Sie sich über den noch fantastischen Wirbelsitz, nach der ersten Heizperiode im Hause des neuen Besitzers kommt dann die Ernüchterung, wenn der Stimmer kommt. Der nun endlich durchgetrocknete Stimmstock lässt seinen Wirbeln freien Lauf …
Stichwort Fußbodenheizung: Die besten Hersteller und die teuersten Klaviere und Flügel sind machtlos gegen Fehlaufstellungen und Fußbodenheizungen. Die kuschelige Fußbodenheizung entzieht dem Instrument auf wirkungsvollste Weise alle nötige Restfeuchtigkeit in den verschiedenen Hölzern. Ergebnis: Risse nach wenigen Jahren in elementar wichtigen Teilen wie Resonanzboden und u. U. Stimmstock. Die Wirbel werden lose und die vorher exakten Passungen klappern. Das entspricht nicht der normalen Alterung, weil das Instrument nicht „artgerecht“ gehalten wurde.
Einzige Abhilfe: Der Einbau eines Damp-Chaser Systems (Piano Life Saver). Das ist ein das Instrument „rundum glücklich“ machender Verdampfer, der sehr wirkungsvoll ist, wenn man nicht vergisst, ihn nachzufüllen und dabei auch nicht kleckert. Erhältlich im Fachhandel.
Generell wird im Winter der Raum befeuchtet werden müssen, das tut Ihren Bronchien auch gut, so das Gerät denn keine Dreck- und Bakterienschleuder ist; im Sommer wird der Raum wahrscheinlich entfeuchtet werden müssen. Diese Geräte gibt es mittlerweile preiswert im Baumarkt. Das Hygrometer entscheidet, was zu tun ist. Es ist eine für das Instrument lebenserhaltende Maßnahme. Es dankt Ihnen diese Mühe mit geringen Schwankungen in der Tonqualität (ein zu feuchtes Instrument klingt dumpf), besserer Stimmhaltung, längeren Wartungsintervallen und intakten Hölzern.
Was sollte ich beim Transport meines Klaviers beachten? Muss es danach gestimmt werden?
Jeder Transport ist purer Stress für das Instrument. Eventuell ist es groben Luftfeuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt, abgesehen von den mechanischen Einflüssen. Spediteure gehen nicht immer sorgfältig mit den ihnen anvertrauten Instrumenten um, daher bemühen Sie bitte immer eine Fachspedition. Das Klavier mal eben selbst schleppen? Viel zu gefährlich, Schäden am Instrument, am Treppenhaus, am Fahrzeug und letztendlich an Ihren Gliedmaßen sind vorprogrammiert. Nach einem Transport warten Sie bitte etwa zwei Wochen, bis das Instrument zur Ruhe gekommen ist und lassen es erst dann stimmen.
Ein letzter Tipp?
Im Oktober stelle ich links und rechts zwei Schälchen mit Wasser hinter die untere Klappe meines Klaviers auf den Boden. Wenn bei der trockenen Heizungsluft mein Klavier „ein Schlückchen“ braucht, wird es sich bedienen. Ich vermute, dass wegen der häufigen Beschallung das Wasser nicht „fies“ wird; ab und zu fülle ich ein wenig nach. Im April nehme ich die Schälchen wieder raus und freue mich über die gute Stimmhaltung.
Vielen Dank, Ratko Delorko, für die ausführliche Beantwortung unserer Fragen!
Wenn ihr noch mehr Tipps vom Profi z. B. zu den Themen Klavier-und Spieltechnik oder Auftritten wollt, schaut doch mal in sein Buch:
Profi-Tipps
... für Pianisten und solche, die es werden wollen (ISBN 978-3-932976-59-9)
© Fotos im Text von Jörg Päsel
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