Pflege von Streichinstrumenten
Streichinstrumente können über mehrere Jahrhunderte viel Freude bereiten – bei guter Pflege. Instrumentenbauer Jean Severin erklärt, wie eure „zart gebauten Instrumente“ bei Beachtung dieser Pflegehinweise eine leichte Spielbarkeit und Langlebigkeit erreichen. Es lohnt sich also sich bei der Pflege vom Instrument ein paar Dinge zur Gewohnheit zu machen. Los geht’s mit den Tipps vom Instrumentenbauer:
Wie wichtig ist regelmäßige Pflege?
Nichts ist wichtiger! Streichinstrumente sind recht zart gebaut und müssen einiges an Druck und Handhabung aushalten. Wenn man immer einen Blick auf die kritischen Stellen hat, kann die Wartung in der Geigenbauwerkstatt nicht so teuer werden. Ist noch genug Lack auf der Handstelle oder dringt der Handschweiß schon direkt in das Holz ein? Ein bisschen Überzugslack auftragen zu lassen ist kein Problem - aber durchfeuchtetes Holz führt zum großen Schaden.
Was heißt „regelmäßig“ eigentlich konkret? Nach jedem Spiel? 1 Mal pro Woche? Gibt es Teile an Streichinstrumenten, die öfter gereinigt werden sollten als andere?
Regelmäßig heißt tatsächlich nach jedem Spiel. Einmal drüber und drumherum wischen - mit offenem Auge. Selbst Instrumente, die nicht gespielt werden, weil sie in einer Vitrine ausgestellt sind, oder im Etui auf dem Schlafzimmerschrank liegen, sollte man vielleicht einmal im Monat genau anschauen, ob sich eine Leimung gelöst hat.
Bei jedem Spielen von Streichinstrumenten entsteht feiner Kolophoniumstaub, der sich auf dem Instrument absetzt. Wie sollte man das Instrument am besten davon befreien?
Diese Frage wird oft gestellt. Auch nach 25 Jahren als Meister fällt mir nichts Besseres ein als: mit einem trocken (Baumwoll-) Tuch ohne großen Druck abwischen. (Vorsicht bei Mikrofasertüchern - manche können den Lack böse zerkratzen). Es werden diverse Hilfsmittel angeboten, die zum Teil gefährlich, schlecht oder nutzlos sind. Selbst das beste Putzmittel muss man handhaben können. Ich sehe oft Instrumente die "schön" geputzt worden sind. Sie glänzen dann toll, weil ein Ölfilm auf dem Lack liegt. Den Staub zieht das dann magisch an, dem Lack kann es auch richtig schaden und WEHE - wenn das Öl in einen Riss gerieben wird. Dann hat man bei kommenden Reparaturen richtig Ärger und wundert sich, warum die Geigenbauer nicht in der Lage sind den Riss zu leimen. Aber leimen Sie mal Öl...
Wie bleiben die Wirbel immer schön leichtgängig?
Wirbel laufen wohl selten perfekt. Das Beste wäre, sie immer zu benutzen. Cellisten stimmen über längere Zeit oft nur mit den Feinstimmern. Wenn sie dann zu den Wirbeln greifen, rutschen die meist und halten nur mit viel Druck. Die Barock eingerichteten Instrumente sind da wohl am besten dran. Da gibt es nur die Wirbel, weshalb sie immer in Bewegung bleiben. Ich empfehle bei jedem Saitenwechsel etwas Wirbelseife und / oder Kreide auf die Lauffläche des Wirbels zu geben - je nachdem, ob er mehr rutschen oder mehr halten soll. Dabei sieht man dann auch, ob der Wirbel passt, d.h. er darf nicht wackeln oder unrund laufen und sollte in beiden Wirbelkastenwänden viel Kontakt haben. Wenn alles nichts hilft, bleibt nur der Gang zur Werkstatt des Vertrauens.
Was muss beachtet werden, damit der Steg gerade stehen bleibt?
Beim Stimmen mit den Wirbeln zieht man den Steg immer in Richtung Wirbel. Deshalb haben die meisten Stege die Tendenz sich Richtung Griffbrett zu neigen, so wie unser Rücken zum Schreibtisch oder zur Werkbank. Beim Steg hilft nur, ihn immer wieder gerade zu schieben. Viele Musiker trauen sich das nicht. Eigentlich ist es nicht schwer und ich zeige es gerne immer wieder. Wenn man beim Saitenwechsel die Stegkerben mit einem weichen Bleistift schmiert, geht das noch besser. Außerdem rutscht die Saite dann beim Stimmen über den Steg und zieht ihn nicht so schnell krumm. Wenn auch noch die Obersattelkerben geschmiert werden, geht das Stimmen viel leichter, denn die Spannungen im Wirbelkasten, hinter dem Steg zum Saitenhalter und auf der frei schwingenden Saite gleichen sich besser aus. Sonst gibt immer der eine oder andere Teil der Saite nach und man hat das Gefühl, nie fertig zu werden. Den Steg dann noch geradegerückt (wie unseren Rücken) - und schon hält er wesentlich länger.
Wie reinigt man Griffbrett und Saiten?
Das Griffbrett kann man genauso nach dem Spiel mit einem trockenen Baumwolltuch abreiben. Dicke Kolophonium-Schichten auf den Saiten können Ansprache und Klang negativ beeinflussen. Hier hilft zur Reinigung nur ein mit reinem Alkohol befeuchtetes Läppchen. Aber dabei höllisch aufpassen! Wenn bei der Aktion Alkohol auf das Instrument tropft, hat man einen kapitalen Schaden - den zahlt nicht einmal eine gute Instrumentenversicherung.
Wie oft muss das Griffbrett abgerichtet werden?
Das hängt von der Spielweise, der Nutzungsdauer und vom Material ab. Profis lassen das Griffbrett meist einmal jährlich abrichten. Es ist ein schleichender Prozess, beim Spielen Dellen und Rillen ins Griffbrett zu graben. Viele Musizierende denken: es geht ja noch. Nach dem Abrichten in der Werkstatt wissen die meisten jedoch, dass sie zu lange gewartet haben. Plötzlich reicht weniger Druck, es schnarrt nicht mehr und die Quintenreinheit ist viel besser.
Kinnhalter sind oft der Grund für Entzündungen auf der Haut (Geigerfleck) Was kann man tun?
Oh, eines meiner Lieblingsthemen. Ich versuche mich kurz zu fassen. Manche Menschen reagieren allergisch auf Ebenholz. Da hilft nur der Wechsel des Materials (Kunststoff mag ich nicht wirklich, löst aber dieses Problem, Buchsbaum...) oder eine Kinnhalterauflage. Es gilt auch herauszufinden, ob es am Kinnhalter oder an den nickelhaltigen Kinnhalterschrauben liegt. Titanschrauben sind teuer, aber eine gute Lösung. Die meisten Kinnhalterprobleme entstehen aber durch schlechte oder falsche Kinnhalter. Ein Kinnhalter wird ausgesucht und angepasst wie ein Laufschuh für einen Marathonläufer. Mittel- oder Seitenkinnhalter? Welche Höhe? Mit leichten Ecken und Kanten oder sehr weich und rund? Probleme zu ignorieren kann im Einzelfall zur Berufsunfähigkeit führen. Eine cortisonhaltige Salbe ist schnell verschrieben, bekämpft aber nur das Symptom.
Muss auch der Instrumentenkorpus gereinigt werden? Wie macht man das am besten?
Ja, nach dem Spiel sollte man den ganzen Korpus abwischen. Kolophonium rieselt sogar auf die Mittelbugzargen. Selbst beim penibelsten Musiker wird irgendwann eine matte Schicht auf dem Lack liegen. Dann reinigt die Geigenbauerin oder der Geigenbauer professionell für wenig Geld.
Kann man beim Bogen etwas Besonderes beachten, damit er gut erhalten bleibt?
Auch die Bogenstange und den Frosch sollte man nach dem Spiel abwischen. Außerdem sollte man immer im Blick haben, ob der Frosch festsitzt und die Schraube gut läuft. Wenn der Bezug (Haare) sich mit der Zeit zu lang gedehnt hat, werden Mutter und Schraube irgendwann die Stange kaputt machen. Lassen Sie sich das einmal zeigen, wenn Sie den Bogen nicht selbst auseinandernehmen wollen. Selbstverständlich muss der Bogen nach dem Spiel entspannt werden.
Übrigens: Der Streicher-Applaus mit dem Bogen ist eine optische Geste. Niemals darf man wirklich aufs Pult schlagen. Es entstehen dabei Macken in der Stange und mitunter sogar Haarrisse. ...und dann wundert man sich, wenn ohne Vorwarnung der Kopf wegfliegt!
Kann ich mein Instrument selbst gründlich reinigen oder muss ich es dafür zum Instrumentenbauer geben? In welchen Intervallen ist eine Intensivreinigung nötig?
Sie können/sollen immer selbst reinigen. Das geht blitzschnell nach dem Spielen mit einem Baumwolltuch. Es hängt vom Lack und Kolophonium ab, wie oft man das Instrument in der Werkstatt reinigen lassen muss. Ich sehe professionell genutzte Instrumente, die blinkend zu mir kommen und solche, bei denen die Holzstruktur unter der Kolophoniumkruste kaum noch erkennbar ist. Dann war es zu spät und wird teuer...
Heizungsluft und generelle Temperaturschwankungen sind für Streichinstrumente bekanntlich nicht gut. In welchem Klima/bei welcher Temperatur fühlen sich Streichinstrumente am wohlsten? Was ist bei der Lagerung zu beachten?
Ich will gar nicht von dem Wunsch nach 40-60% Luftfeuchtigkeit reden. Gewisse Schwankungen halten die Instrumente gut aus. Regelmäßig - insbesondere zu Beginn der Heizperiode, wenn die Luftfeuchtigkeit schlagartig sinkt - kommen Instrumente mit offenen Leimstellen zu uns. Luftbefeuchter im Instrument oder Etui können dagegen etwas helfen. Ein feuchtes Handtuch auf der Heizung ist sicher nicht schlecht, treibt aber die Luftfeuchtigkeit kaum nach oben. Vollklimatisierung macht wohl nur im Museum Sinn. Ein gutes Etui mindert den Schreck für das Instrument, wenn es von +23°C drinnen zu -10°C draußen wechselt. Die Erbgeige wartet am besten im Etui im Schlafzimmer auf den nächsten Spieler. Nicht feucht, nicht zu trocken, wenig Schwankungen.
Ein letzter Tipp?
Welche Pflegemaßnahmen Sie sich an Ihrem Instrument selbst zutrauen, hängt von Ihnen ab und davon, was Ihnen in der Werkstatt Ihres Vertrauens gut gezeigt wurde. Im Zweifel einmal vom Profi draufschauen zu lassen kostet nichts.
Vielen Dank Jean Severin für dieses ausführliche Interview!
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Text von Elena