Von einem, der ganz in die Musik abtauchen kann
Ein SINFONIMA-Interview mit Dr. Lothar Stöckbauer
Dr. Lothar Stöckbauer setzte 1991 die SINFONIMA-Stiftung in die Tat um und begleitet sie seitdem als Vorstandsmitglied. Wir sprachen mit ihm über die Beweggründe der Stiftungsgründung, die Schwierigkeit für junge Musizierende, ein gutes Instrument oder einen Kredit für eines zu erhalten, über Erinnerungen aus 30 Jahren Stiftungsgeschichte.
Lieber Herr Dr. Stöckbauer, in diesem Jahr besteht die SINFONIMA-Stiftung genau 30 Jahre. Sie begleiten sie von Anfang an, waren Ideengeber zur Gründung und sind bis heute Stiftungs-Vorstandsmitglied. Welche Erinnerungen haben Sie an das Jahr Gründungsjahr 1991?
Meine Erinnerungen sind recht intensiv. Obwohl die Bereitschaft im Haus der Mannheimer Versicherung zur Stiftungsgründung immer gegeben war, hat niemand so richtig in Erwägung gezogen, tatsächlich eine eigene Instrumentenstiftung zu errichten. Ich weiß noch, dass der Vorlauf der Gründung von intensiven Überlegungen geprägt war. Eine Stiftung muss geplant und von mehreren Stellen genehmigt werden, zum Beispiel vom Aufsichtsrat und vom Regierungspräsidium. Beides war nicht ganz trivial. Mein ehemaliger Vorstandskollege Bernd Hammer hat von Anfang an bis April 2021 juristisch begleitet.
Was war dann der erste Meilenstein nach der Gründung?
Als die Stiftung erfolgreich gegründet worden war, hat die Mannheimer der Stiftung einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt; ungefähr 250 000 Mark. Mit diesem konnten wir dann die ersten zwei Instrumente kaufen und diese in Form eines Wettbewerbs an junge Musiker vergeben, so wie heute auch, nur in kleinerer Form. Damals entschied eine externe Jury über die Preisträger. Heute wählt unser stiftungsinternes Kuratorium die Preisträger aus. Außerdem entscheidet sie darüber, welches zu vergebende Instrument zu welchem Preisträger passt.
Nach welchen Kritierien haben Sie die Stiftungs-Instrumente ausgewählt?
Ich hatte selbst keine Möglichkeit, die Qualität eines Instrumentes zu beurteilen, deshalb habe ich Kontakt mit einem Geigenhändler aufgenommen, der bei der Mannheimer versichert war. Ich bat ihn, uns ein paar Instrumente zur Auswahl geben, aus denen wir dann die bestgeeigneten auswählen konnten. Im weiteren Schritt habe ich Jenny Abel um Unterstützung gebeten. Das war eine zur damaligen Zeit weltberühmte Geigerin, die in Baden-Baden wohnte. Ich kannte sie gut und bat sie als Profi, die Geigen und Bögen des Instrumentenbauers auszuwählen, die für unsere Zwecke am besten geeignet sind. Wir trafen uns, sie spielte alle Instrumente an und testete sie einen ganzen Vormittag lang auf Herz und Nieren. Wir entschieden uns letztendlich für zwei Instrumente, die wir noch immer in der Stiftung haben und alle zwei Jahre verleihen: Eine Panormo und eine Nicola Amati Geige.
Was zeichnet diese Geigen aus, weshalb entschieden Sie sich speziell für diese Geigen?
Laut Beschreibung von Jenny Abel sind das die Instrumente, die sehr gut klingen, sich am leichtesten spielen lassen und deshalb für Nachwuchsmusiker sehr gut geeignet sind. Wichtig ist für unsere Preisträger, die das Instrument für zwei Jahre bekommen, dass sie sich nicht erst mehrere Monate daran gewöhnen müssen, bis sie mit ihnen sozusagen "verwachsen" sind. Dieser Blickwinkel hat sich bis heute bewährt. Unsere verliehenen Instrumente sind bei den Preisträgern stets hoch angesehen.
Dass ein Versicherungsunternehmen eine Stiftung gründet, kommt nicht sehr häufig vor. Warum war es Ihnen oder der Mannheimer wichtig, eine Stiftung zu gründen?
Die Errichtung einer Stiftung hat natürlich mit der Tatsache zu tun, dass wir als Versicherer im Bereich der Musik tätig sind und bereits seit über 100 Jahren Instrumente auf dem Transportweg versichern. Seit 1990 über ein eigenes Markenprodukt, die Instrumentenversicherung SINFONIMA. Die Gründung einer Stiftung hat einerseits unsere Tätigkeit als Versicherer unterstützt, andererseits fördern wir damit junge Nachwuchsmusiker, die sich kein solch hochwertiges Instrument leisten können. Auf dem umkämpften Musikermarkt reicht Können leider nicht aus. Nur wenn man auf ein sehr gutes Instrument zurückgreifen kann, das die persönlichen Spielqualitäten bestmöglich fördern kann, erhalten die jungen Menschen Engagements - und demnach einen besseren Einstieg ins Berufsleben als professioneller Musiker.
Auf welche Tätigkeiten oder Errungenschaften der Stiftung sind Sie stolz?
Wir haben tatsächlich mit dieser Stiftung ganz vielen Leuten wenigstens ermöglicht, einen Fuß in die Professionalität zu setzen. Wie eben angesprochen, sind heutzutage die Orchesterstellen mehr als rar. Um dies mal an Zahlen zu verdeutlichen: Wir haben in Deutschland 138 Berufs-Orchester. Das ist viel, viel mehr als in jedem anderen Land Europas. Trotzdem haben diese Orchester insgesamt nur circa 9.000 Planstellen. Und wenn diese 9.000 besetzt sind, dann sind sie über Jahre besetzt. Es sei denn, es scheidet mal jemand aus irgendwelchen Gründen aus. Das bedeutet also, wenn jemand eine Stelle sucht, bei der er ein Tarifgehalt bezieht - und die Orchester haben gewöhnlich Tarifverträge- dann hat er verdammt wenige Möglichkeiten, überhaupt einen Job zu finden. In jedem Semester studieren zurzeit insgesamt 22.000 Studierende, an allen deutschen Musikhochschulen insgesamt betrachtet. Viele darunter studieren mit dem Ziel, Orchestermusiker zu werden. Also insgesamt betrachtet, gibt es immer viel mehr Absolventen als Stellen. Der Absolvent hat keinerlei Chance, eine dieser Stellen zu bekommen, wenn er aus der Zigarrenkiste spielen muss. Aber wenn er ein gescheites Instrument hat und zeigen kann, was er kann, dann hat er eine Chance.
Insofern erfüllt die Stiftung durch die Bereitstellung eines Leihinstrumentes also eine äußerst wichtige Rolle?
Ja, viele von unseren Schützlingen sind heute in den Orchestern untergekommen. Es ist zwar eine triste Minderzahl, weil es wie beschrieben, nicht genügend Plätze gibt. Aber auch wenn jemand sagt: "Ich werde nicht im Orchester tätig sein, sondern arbeite freiberuflich, zum Beipiel in einem Trio oder einer anderen Formation", dann braucht er auch dafür ein gutes Instrument. Die Konkurrenz unter den Musikern ist groß. Ohne ein gutes Instrument ist man völlig chancenlos. Und deswegen ist unsere Stiftungsarbeit, durch die wir die Möglichkeit einräumen, am Beginn der professionellen Laufbahn mit einem guten Instrument auf sich aufmerksam zu machen, sicherlich eine ganz, ganz wichtige und nützliche Sache.
Das Problem klingt für mich also so: Ohne sehr große finanzielle Möglichkeiten und ohne eine Stiftung ist man so gut wie chancenlos. Oder gibt es noch andere Möglichkeiten, wie Musiker an ein sehr gutes Instrument herankommen?
Das ist ein unlösbares Problem. Nochmal in Zahlen ausgedrückt: Für ein Instrument, das im Orchester gespielt wird, muss man - und da stapel ich sehr tief- 100.000 Euro ausgeben. 50.000 ist die absolute Untergrenze für ein Instrument, mit dem sich gut spielen lässt. Wenn ich als Solist tätig sein will, bin ich sehr schnell bei 200.000 bis 250.000 Euro für ein Instrument.
Die Preise sind deswegen so hoch geworden, weil Instrumente zum Kapitalanlage-Objekt verkommen sind. Aus der Sicht eines Investors ist es eine ganz einfache Sache. Diese Instrumente sind ihrer Zahl nach endlich, weil die Geigenbauer, die diese Instrumente gebaut haben, ja längst verstorben sind. Es kann also von diesen Geigenbauern nichts Neues nachkommen, nur der vorhandene Bestand kann kleiner werden. Entweder, weil ein Instrument natürlicherweise zu Bruch geht oder weil es in ein Museum kommt oder in eine Sammlung und dann nicht mehr dem Markt zur Verfügung steht. Ja, und deswegen ist es für den Investor eben eine klare Sache: „Wenn ich ein Gut habe, das viele Leute haben wollen - und alle Musiker wollen es haben - und wenn gleichzeitig aber die Zahl dieser Güter sinkt, kann ich keinen Verlust erleiden.“ Das ist ökonomisch simpel. Und darum erwerben viele Kapitalanleger und Family Offices Instrumente als Kapitalanlage. Viele verleihen dankenswerterweise diese Instrumente einem Musiker. Das finde ich in Ordnung, dann darf der Musiker das Instrument spielen, allerdings gehört es ihm nicht. Wenn er aber selbst ein Instrument kaufen möchte, hat er keine Chance. Stellen Sie sich jemanden vor, der 28 Jahre als ist und zu einer Bank geht und sagt "Ich bin Musiker, ich möchte mir eine Panormo-Geige kaufen. Die kostet 120. 000 Euro und ich hätte ich gerne einen Kredit dafür.“ Dann sagt die Bank sofort: "Auf Wiedersehen". Wenn die Familie kein Vermögen hat, das als Sicherheit dienen kann, hat er überhaupt keine Chance.
Ich habe mal mit der Baden-Württembergischen Bank, die es damals noch gab, versucht, ein Finanzierungsmodell zu entwickeln, das genau dieses Problem überbrückt. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass diese Instrumente werthaltig sind, auch wenn sie in deren Sicherheitsrichtlinien nicht hineinpassen. Gebäude, Maschinen, Grundbücher sind kein großes Risiko. Aber natürlich werden die Instrumente gespielt und transportiert. Gegen alle Schäden, die dabei eintreten, sind sie ja bei der Mannheimer mit einer Allgefahrenversicherung versichert. Also könnt ihr sie als Pfand akzeptieren.
Konnten sie überzeugen?
Wir haben all dies mit dem Vorstand der Bank bereits vereinbart gehabt. Der sagte: „Ich probier das mal.“ Aber dann hat die Geschäftsleitung sich - sehr zu meinem Bedauern- dagegen entschieden. Ich denke, das wäre eine eine gute Lösung gewesen und letztendlich hätte das Instrument den jungen Menschen gehört. Es ist eine sehr, sehr schwere Welt für die Musiker.
Gibt es ehemalige Preisträger, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Wir hatten zu Beginn im Schnitt zehn Bewerber, aus denen vier Preisträger hervorgegangen sind. Heute haben wir teils über fünfzig Bewerber und vergeben zum Beispiel elf Geigen auf einmal. Somit sind die Erinnerungen an die frühesten Preisträger aufgrund der geringeren Zahl natürlich intensiver als heute.
In den letzten 30 Stiftungsjahren ist viel passiert. Sicher denken Sie an die ein oder andere Situation sehr gerne zurück?
Ja sicher. Natasha Korsakova habe ich als eine besonders angenehme Person in Erinnerung. Auch heute noch stehen wir in Kontakt. Sie hatte damals als Preisträgerin eine Panormo Geige verliehen bekommen und hätte sie eigentlich wieder abgeben müssen. Doch sie war so sehr in dieses Instrument verliebt, dass sie sich nicht trennen konnte. Jedoch konnten wir ihr dieses Instrument nicht einfach überlassen. Wir fanden jedoch trotzdem eine Lösung: Sie hatte eine Geige von Francesco Rugeri (einem Zeitgenossen von Nicolò Amati) von ihren Eltern erhalten, spielte jedoch nicht gerne auf ihr. Sie schlug einen Tausch vor, dem wir zustimmten. So erhielt die Stiftung ihre Rugeri Geige und verlieh diese an neue Preisträger. Und Natasha Korsakova konnte die Panormo Geige so lange behalten, bis sie sich eine eigene kaufen konnte. Heute ist die Panormo Geige wieder in Besitz der Stftung und wird an neue Nachwuchskünstler verliehen.
Hegen Sie selbst eine Leidenschaft für klassische Musik?
Ich habe ein privates Interesse generell an Musik, speziell an der Kammermusik. Das war damals für die Stiftungsgründung und für meine Tätigkeit als Vorstand der SINFONIMA-Stiftung natürlich schon eine günstige Konstellation, auch wenn Entscheidungen bezogen auf die Stiftung davon unbeeinflusst waren.
Spielen Sie selbst ein Instrument?
Nein, das ist die große Schmach meines Lebens. Es gab mal die Überlegung, ob ich nach meiner Pensionierung ein Instrument lerne, aber das habe ich mir letztendlich nicht mehr zugetraut. Ich habe ein sehr großes Wissen über Musik aber leider nicht von Musik.
Welches sind Ihre Lieblingsstücke?
Das ist immer unterschiedlich und stimmungsabhängig. Ich vergleiche das immer mit einer Mahlzeit: An einem Tag habe ich Lust auf Rindersteak, am anderen auf Dorade. Generell höre ich wenig Musik - aber wenn, dann nur klassische Musik. Deshalb hier vielleicht meine Shortlist:
- In Mannheim geschriebene Mozartsonaten, die Mozart der Kurfürstin gewidmet hat. Innerhalb derer die KV104
- Die mittleren Streichquartette von Beethoven, die „Rasumowsky Quartette“
- Die Streichquartette von Schostakovich, das 8. ganz besonders
Wenn ich Musik höre, dann mit den Kopfhörern und dann widme ich mich auch nur der Musik und lasse mich durch nichts stören.
Ich danke Ihnen sehr für das schöne Gespräch mit Ihnen, Herr Dr. Stöckbauer.
Das Interview führte Isabelle
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