WDR@Philharmonie: WDR Funkhausorchester meets JEREMIAS
Ein SINFONIMA-Interview mit Orchestermanagerin Corinna Rottschy
Sinfonieorchester, Funkhausorchester, Rundfunkchor und Big Band – die vier Ensembles des WDR zählen zu den renommiertesten Ensembles Deutschlands. Heute im Fokus: das gemeinsame Konzert des WDR Funkhausorchesters und der jungen Funk-Pop-Band JEREMIAS im Rahmen der WDR-Konzertreihe „WDR@Philharmonie“. Unsere Interviewpartnerin: Orchestermanagerin Corinna Rottschy.
Sinfonieorchester, Funkhausorchester, Rundfunkchor und Big Band – die vier Ensembles des WDR zählen zu den renommiertesten Ensembles Deutschlands. Heute im Fokus: das gemeinsame Konzert des WDR Funkhausorchesters und der jungen Funk-Pop-Band JEREMIAS im Rahmen der WDR-Konzertreihe „WDR@Philharmonie“. Unsere Interviewpartnerin: Orchestermanagerin Corinna Rottschy.
Ob ein WDR-Orchester wohl mit einer Versicherung ein Interview führen würde? Einfach mal fragen, dachte Isabelle von SINFONIMA. Und tatsächlich. Nur wenige Tage nach meiner Anfrage, ob denn ein Interview mit einer Vertreterin oder eines Vertreters des WDR Funkhausorchesters möglich sei, sagte Orchestermanagerin Corinna Rottschy zu. Das Gespräch per Videokonferenz verlief dann genauso unkompliziert wie die Zusage. Wir sprachen über die Zusammenarbeit zwischen WDR Funkhausorchester und der Band JEREMIAS, über Einstellungshürden ins Orchester und Begegnungen auf Augenhöhe.
Frau Rottschy, das WDR Funkhausorchester unterscheidet sich in seinem Repertoire deutlich von anderen Orchestern in Deutschland und gilt deshalb als „Botschafter für große Kunst und Unterhaltung.“ Ob Opern-, Film- und Musicalmelodien, Kabarettbegleitung, Fado aus Portugal, Computerspielmusik, Kindermelodien oder Crossoverprojekte aus den Genres Pop, Jazz, Soul, … Kann das Orchester einfach alles?
Ja! Die Musiker:innen des Orchesters sind wandelbare Profis mit großer Liebe zur Unterhaltung. Ein klassisch ausgebildeter Musiker wird in seiner Ausbildung darauf vorbereitet, Solokonzerte zu spielen, z.B. das Trompetenkonzert von Haydn oder ein Violinkonzert von Tschaikowsky, Mozart oder Mendelssohn. Durch diese intensive Ausbildung sind Musiker:innen in der Lage, auch „fremde“ Genres problemlos zu spielen, wenn die Arrangements gut sind.
Wenig Plätze, viele Musiker:innen: Die Planstellen in deutschen Orchestern sind mit genau 9.766 Stellen trotz Erhöhung in 2020 wahnsinnig rar und begehrt. Welche Voraussetzungen benötigt ein Musiker, um in das WDR Funkhausorchester aufgenommen zu werden?
Im Grunde genommen hat jedes Orchester in Deutschland das gleiche Prozedere. Nach einer schriftlichen Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle, z.B. in der Fachzeitschrift „DAS ORCHESTER“, erfolgt das Probespiel. Aufgrund der eben bereits genannten –zumeist– klassischen Ausbildung, müssen Musiker:innen bei unseren Probespielen tatsächlich ein klassisches Werk vorstellen. Ich bin nun seit etwa sieben Jahren Orchestermanagerin dieses Orchesters und fragte anfangs „Seid ihr jeck? Wir müssen doch UNSER Repertoire abfragen, auch mal Musical, Pop, oder Hip Hop-Melodien.“ Die Musiker:innen antworteten darauf: „Nein, man kann auch an einem Mozart, Sibelius oder Tschaikowsky erkennen, ob ein Musiker alles andere kann oder nicht.“ Das war neu für mich.
Zum Probespiel laden wir dann etwa 20-25 Musiker:innen ein, die alle dasselbe spielen müssen, zumindest den 1. Satz vom Konzert. Danach berät die Gruppe/das Orchester gemeinsam, wer in die 2. Runde kommt. In der 2. Runde werden Orchesterstücke gespielt, z.B. Die Fledermaus-Ouvertüre von Johann Strauss, etwas von Gershwin oder Bernstein oder etwas Unterhaltendes. Dann stimmen wieder alle ab. Gegebenenfalls folgt noch eine 3. Runde oder aber es ist keiner dabei. So wird in allen Orchestern der Welt gearbeitet.
Der Vertrag wird dann erstmal für 1 Jahr befristet geschlossen. Nach diesem Jahr stimmt das Orchester wieder ab. Passt diese Person, nicht nur als Musiker, sondern auch als Mensch zu uns? Das macht das Orchester sehr bewusst, denn es möchte, dass die Person insgesamt in die Gruppe passt. Denn im WDR Funkhausorchester sind immer alle Mitglieder zusammen am Arbeitsplatz. Bei anderen Orchestern werden nicht alle Musiker:innen eingesetzt, bei uns spielen normalerweise, wenn wir nicht wie jetzt wegen der Pandemie die Besetzung der Konzerte reduzieren müssen, IMMER alle 51 Musiker:innen, ohne sich abzuwechseln. Dies kann auch mal zu Spannungen führen.
Wie kommt es eigentlich zu einer Zusammenarbeit mit Künstlern? Kommt ein Agent auf Sie zu oder entscheiden Sie als Orchestermanagerin, mit welchen Bands das Orchester eine Kooperation eingeht?
Es gibt keine Regeln. Die einzige Regel ist: Ich erstelle als Orchestermanagerin das Programm. Ich weiß, ich habe fünf oder sechs Abokonzerte mit gemischtem Programm. Ein paar Kinder- und Jugendkonzerte und Sonderkonzerte, wie z.B. die Zusammenarbeit mit Kabarettisten. Solche Sonderkonzerte sind meist Kooperationen mit Redaktionen. Wenn mir etwas einfällt, frage ich die Kollegen: Würdet ihr das senden, passt das?
Wir haben dann die Reihe „WDR@Philharmonie“ ins Leben gerufen, mit den Untergruppierungen „Pop mal anders“ oder „Jazz mal anders“, „Weihnachten mal anders“. In dieser Serie möchte ich immer gerne junge, frische Gruppen präsentieren. Wir nehmen dazu die Musik der Band/Gruppe und arrangieren die Musik für Orchester neu unter dem großen Titel „Re:Arranged“.
Im August habe ich alle Newcomer des Jahres, die bei 1 Live gelistet waren, angeschrieben. So stieß ich auf JEREMIAS und fand sie sofort klasse. Das sind nette Jungs, deren Songs sowohl jungen Leuten als auch deren Eltern gefallen, also habe ich einfach angefragt und eine Zusage erhalten.
Haben die Orchestermitglieder auch eine Stimme, können Wünsche äußern, mit wem zusammen musiziert wird?
Es gibt ein Gremium, den sogenannten „künstlerischen Beirat“, mit denen ich mich ab und an berate. Im Fall von JEREMIAS habe ich mich jedoch nur mit der Band selbst abgesprochen. Es muss sich natürlich auch immer um Bands handeln, die dazu in der Lage sind, mit Orchestern zusammenzuarbeiten. Das kann nicht jeder, auch wenn viele das unbedingt wollen. Für JEREMIAS war es zwar das erste Mal aber ich war mir vollkommen sicher, dass das klappt, weil die Bandmitglieder aus Musikerhaushalten kommen und einschätzen konnten, was es bedeutet, mit einem Orchester zusammenzuarbeiten.
Wieviel Vorlaufzeit braucht es, bis zum Beispiel die Stücke für das Orchester arrangiert und die Musiker:innen mit Ihnen vertraut sind?
Wir haben in diesem Fall nur einen Arrangeur gebraucht, um die Stücke für das Orchester zu arrangieren. Dieser hat sich auch mit der Band zusammengesetzt, um gegenseitig Ideen zu generieren, z.B. mehr Bongos an dieser Stelle, mehr Flöten an der anderen. Es mussten sechs Stücke von JEREMIAS arrangiert werden plus die Stücke aus der Kategorie „Wünsch Dir was“, Titel, die sich JEREMIAS vom Orchester zum Hören gewünscht hat. Diese Stücke mussten dann verkürzt arrangiert werden. Vier Wochen vor dem Konzert muss das Notenarchiv die Stücke vorliegen haben, um die Noten rechtzeitig zu drucken. Und letztendlich benötigen die Musiker:innen dann ja auch noch Zeit, um die Stücke ausreichend üben zu können. Insgesamt, mit allem drum und dran, hat das drei Monate gedauert.
Wie hat die Begegnung der Musiker:innen aus den unterschiedlichen Genres funktioniert? War dies eine Begegnung auf Augenhöhe oder stand man sich eher kritisch gegenüber?
Die Begegnung auf Augenhöhe klappt immer dann gut, wenn die Musiker:innen spüren, dass da Professionalität im Spiel ist. Dann ist das Genre total egal. JEREMIAS war total prima. Alle drei Jungs waren professionell und die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert – nach 2 oder 3 Probetagen konnte das Konzert stattfinden. Wenn eine Band aber nicht so gut ist, dann kann das auch mal schiefgehen.
Welche Rückmeldungen gab es seitens der Orchestermitglieder zum Konzert?
Die Musiker:innen mochten die junge Band sehr und ihnen gefielen die Arrangements von Christian Dellacher. Wie gesagt, wenn die professionelle Ebene stimmt, ist die Stimmung gut und dann klappt auch der musikalische Teil.
Das Funkhausorchester hat schnell auf die Pandemie reagiert und bietet seit letzten Jahr viele der Konzerte als Stream an. Dies wird sehr gut angenommen. Aber woran liegt es, dass nicht all Ihre geplanten Konzerte gestreamt werden können sondern doch ausfallen?
Manche Konzerte konnte man bezogen auf die Besetzung leider nicht reduzieren, weil es dann nicht gut klingt. Wir hatten z.B. ein Programm mit dem Titel „Wunderschönes Griechenland“, mit griechischer Musik geplant. Man braucht dazu jedoch tatsächlich alle 51 Musiker:innen . Hätte man das kleiner schrieben müssen, hätte es nicht gepasst, also haben wir es verschoben und holen es nach. Komplett absagen mussten wir ein Konzert mit einem Piano-Duo. Das Repertoire hätte man sehr stark reduzieren müssen, das war in diesem Fall leider nicht möglich. Für eine Pop-Band zu arrangieren, ist leichter. Das klingt auch gut, wenn dort nur 35 Orchestermusiker:innen sitzen, deshalb konnte das Konzert mit JEREMIAS stattfinden.
Haben Sie durch die Zusammenarbeit mit JEREMIAS einen Song entdeckt, den Sie seitdem gerne hören oder an Sie immer wieder denken?
Mir gefallen mehrere Songs von JEREMIAS aber ich könnte Ihnen jetzt leider gar nicht mehr die Titel nennen. In den Kopf kommt mir im Moment immer mal wieder nur das schöne Cover von „Bésame mucho“. Aber die Songs lohnen sich alle zu hören!
https://www.youtube.com/watch?v=DvOowj5Ymf8 JEREMIAS & Das WDR Funkhausorchester am 21.01.2021 unter der Leitung von Leslie Suganandarajah auf der Bühne der Kölner Philharmonie. Moderiert wurde das Konzert von 1LIVE-Moderator Simon Beeck.
Corinna Rottschy ist das, was man wohl unter einer „Allrounderin“ versteht. Orchestermanagerin, Gymnasiallehrerin und Sängerin, Sprecherin und Moderatorin beim WDR, Redakteurin verschiedener Sendungen, Musikplanerin, Konzertveranstalterin, Dozentin für Präsentation mit viel Freude an der Arbeit mit Musikern und Musikerinnen. Die Band JEREMIAS hat kürzlich ihre Instrumente und ihr Sound-Equipment über unsere Marke I’M SOUND versichert. Weil diese ein Konzert mit dem WDR Funkhausorchester gespielt haben, kam uns die Idee, mit beiden Seiten ein Interview zu führen. Das Interview mit JEREMIAS findet ihr in Kürze unter www.imsound.de
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